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Channel: Auskunftserteilung – Rechtslupe
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Verurteilung zur Auskunft – und die Berufungssumme

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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzende Wert des Beschwerdegegenstands im Fall der Einlegung der Berufung der zur Auskunftserteilung verurteilten Person nach ihrem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen.

Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Auskunft erfordert und ob die verurteilte Partei ein schützenswertes Interesse daran hat, bestimmte Tatsachen vor dem Gegner geheim zu halten.

Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Bemessung der Beschwer darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht von dem ihm gemäß § 3 ZPO eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Die Bemessung der Beschwer ist rechtsfehlerhaft, wenn das Gericht bei der Bewertung des Beschwerdegegenstands maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 139 ZPO nicht festgestellt hat.

Der Berufungskläger hat gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 ZPO glaubhaft zu machen, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt.

Dieser Obliegenheit ist der Beklagte im vorliegenden Fall weder selbst noch durch seine Betreuerin nachgekommen, obwohl das Berufungsgericht ihm nach Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof hierzu Gelegenheit gegeben hat.

Zwar hat der Beklagte vorgetragen und durch Vorlage eines ärztlichen Attests glaubhaft gemacht, dass er zu entsprechenden Angaben nicht in der Lage ist. Für ihn ist jedoch eine Rechtsanwältin als Betreuerin bestellt worden, deren weitreichender Aufgabenkreis alle Vermögensangelegenheiten des Beklagten umfasst und die den Beklagten gemäß § 1902 BGB gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Wenn der Betreute wie im Streitfall außerstande ist, die für die Darlegung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels in einem in den Aufgabenkreis des Betreuers fallenden Rechtsstreit erforderlichen Tatsachen vorzutragen, ist es Aufgabe des Betreuers, diese Tätigkeit für den Betreuten auszuüben und hierfür die erforderlichen Ermittlungen anzustellen. Es obliegt der Betreuerin, die die Stellung eines gesetzlichen Vertreters innehat (vgl. § 1896 Abs. 2 BGB), darzulegen, welchen Aufwand es für den Beklagten im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung bedeutet hätte, die ihm nach der landgerichtlichen Verurteilung auferlegten Auskunfts- und Rechenschaftspflichten zu erfüllen.

Werden wie im Streitfall zur Höhe der Beschwer vom Berufungskläger keine Angaben gemacht, die eine Schätzung erlauben, schätzt das Berufungsgericht die Beschwer auf Grund eigener Lebenserfahrung und Sachkenntnis nach freiem Ermessen.

Eine solche Schätzung hat das Berufungsgericht im hier entschiedenen Streitfall vorgenommen und aufgrund der eigenen Angaben des Beklagten den zeitlichen Aufwand für eine Durchsicht von in Kartons verpackten, unsortierten Geschäftsunterlagen geschätzt und unter Zugrundelegung des Stundenlohns eines Bürokaufmanns oder eines Buchhalters einen maximalen Kostenaufwand von 360 € errechnet. Es ist nicht erkennbar, dass das Berufungsgericht bei dieser Schätzung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt hätte.

Soweit der Beklagte nunmehr geltend macht, er wisse nicht, wo sich die Kisten mit den Unterlagen befänden, sie seien vermutlich infolge mehrerer Umzüge, die er nicht selbst durchgeführt habe, zwischenzeitlich verloren gegangen, ist dies für die Bemessung der Beschwer durch die landgerichtliche Verurteilung ohne Bedeutung, für die allein auf den Zeitpunkt der Berufungseinlegung abzustellen ist.

Ohne Erfolg macht der Beklagte unter Berufung auf § 275 Abs. 3 BGB geltend, er sei zu einer Leistung verurteilt worden, die er nicht erfüllen könne. Zwar kann der Umstand, dass zu einer unmöglichen Auskunft verurteilt wurde, eine Erhöhung des Werts des Beschwerdegegenstandes begründen. Insoweit ist auch der zu erwartende Aufwand an Zeit und Kosten zu berücksichtigen, der erforderlich ist, um etwaige Vollstreckungsversuche zu verhindern. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind aber im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da weder festgestellt noch ersichtlich ist, dass der Beklagte zu einer unmöglichen Auskunft verurteilt worden wäre.

Selbst wenn der Beklagte aufgrund seiner Erkrankung die Verpflichtungen aus dem landgerichtlichen Urteil zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung nicht selbst erfüllen kann, ist deren Erfüllung nicht unmöglich. Es handelt sich dabei nicht um eine Leistung, die er nur persönlich erbringen könnte. Vielmehr kann sich der Beklagte fremder Hilfe bedienen. Den hierfür erforderlichen Aufwand hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender Weise geschätzt.

Der Beklagte hat schließlich nicht schlüssig und widerspruchsfrei dargelegt, dass ihm die Erfüllung der Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus anderen Gründen unmöglich wäre. Soweit er nunmehr vorträgt, er wisse nicht, wo sich die Kartons mit den Geschäftsunterlagen derzeit befänden, steht dies im Widerspruch zu seinem bisherigen Vortrag, er sei aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage, mehrere Kartons ungeordneter Geschäftspapiere durchzusehen.

Der Beklagte kann nicht mit Erfolg geltend machen, das Berufungsgericht habe seinen nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof für das wiedereröffnete Berufungsverfahren gestellten Prozesskostenhilfeantrag nicht sachgerecht behandelt und damit verhindert, dass sein anwaltlicher Vertreter Nachforschungen nach dem Verbleib der Kisten mit den Geschäftsunterlagen des Beklagten unternimmt und ergänzend zu den Kosten vorträgt, die durch die Hinzuziehung einer Hilfsperson bei der Durchsicht dieser Unterlagen entstehen würden.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. Juni 2016 – I ZA 8/15


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